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Camino Mozarabe
Von Baena bis Monterrubio de la Serena

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[8.08.2024] Von Baena nach Castro del Rio

Die Casa Jazmines Mozárabes, in der ich die Nacht verbracht hatte, ist wie eine kleine Oase. Mit der Dachterrasse und einem ganzen Haushalt für mich allein sehr luxuriös. Frühstück gibt es hier auch, aber im Selbstversorgerstil, da die Inhaberin gerade in Tschechien auf Reisen ist. Wahrscheinlich, um der Hitze Spaniens zu entkommen.

Der Weg aus Baena führt anfangs direkt an der Landstraße entlang, bis er nach links auf einen Schotterweg abbiegt.

Olivenplantagen hier, ein paar Felder dort und wieder Straße. Wenig Abwechslung. Wenigstens kann ich mich hier nicht verlaufen, und die Tagesetappe ist mit 20,4 km keine große Herausforderung.

Der Strohhut, den mir der nette Bauer geschenkt hatte, ist leider unterwegs verloren gegangen. Konnte ihn nur am Rucksack außen festklemmen, wenn ich ihn gerade nicht brauche. Schade. Jetzt ist er weg. So schnell kann es gehen.

Castro del Río, der Ort am Ziel, scheint schon zur Römerzeit existiert zu haben. Zumindest finde ich hier eine Statue eines römischen Offiziers mit dem typischen Staubwedel als Helmzier.

Natürlich steht hier auch eine Burg. Diese stammt von König Fernando, dem katholischen König der Reconquista.

Die Herberge ist wieder auf Donativo-Basis. Andere als die vorherigen finde ich nur Minimalausstattung vor. Ein paar Gläser und Teller, ein Mikrowellenofen. Keine richtige Küche. Das Geschirr muss man im Badezimmer waschen - in dem jetzt kein Bad steht, aber Dusche, WC und Waschbecken. Dafür gibt es aber WLAN-Zugang.

Als es nachmittags immer heißer wird, bin ich froh, dass es heute nur eine kürzere Etappe war. Und es Supermärkte gibt. Die 2 Liter eisgekühlte Limo halten gerade mal eine halbe Stunde.


[9.08.2024] Von Castro del Rio nach Santa Cruz

Als ich gerade am Packen meines Rucksacks bin, höre ich vom unteren Stock seltsame Geräusche. Es knarrt und rumpelt. Es folgt ein lautes Quietschen, laute Schritte und Tumult. Einbrecher! Und sie sind jetzt drin! Was jetzt? Viel zu klauen gibt es hier nicht. Den Mikrowellenofen vielleicht. Und den Kühlschrank, falls sie zu zweit sind. Viel tun kann ich ob dieser Lage nicht, also setze ich meine Packerei fort. Da! Schritte auf der Treppe, jemand kommt herauf. Da schiebt sich schon jemand durch die Tür des Schlafsaals. „Hallo! Wir arbeiten an der elektrischen Installation!“, erklärt er sein Erscheinen. Also keine Einbrecher. Ich bin beruhigt. In unteren Stockwerk wird es etwas durch die Anwesenheit von drei Handwerkern etwas umständlich. Um Kabel, Leiter und Werkzeugkisten muss ich mich herum schlängeln, um meine Sachen aus dem Kulturschrank zu befreien. Der Weg zurück ist von einer Leiter versperrt. Freundlich schiebt ein Werkler sein Sprossending beiseite und ich kann weiter packen. Bei Bohrlärm von unten. Endlich habe ich alles zusammen. Doch der Weg zum Ausgang ist wieder durch eine Leiter blockiert. Der Handwerker legt wieder Hand an und schiebt sie beiseite, so komme ich vorbei und hinaus.

Heute bin ich etwas spät dran, es ist bereits halb neun. Mit 22,2 Kilometer ist diese Etappe aber auch recht übersichtlich. Andererseits hätte ich mir diesen morgendlichen Stress ersparen können, hätte ich den Start auf den Weg eine halbe Stunde vorverlegt.

Beim Weg aus der Stadt verschwinden wie von Zauberhand die Wegmarkierungen. Wie so oft muss ich mich wieder von der Handy-Navigation führen lassen. Fünf Kilometer weiter fällt mir ein, trotz aller Sorgfalt habe ich morgens doch etwas vergessen. Das Donativo! Zum ersten Mal auf diesem Weg habe ich die Spende für die Übernachtung vergessen. Unschön, aber ich laufe nicht wieder 5 Kilometer zurück, um meinen Fehler zu korrigieren.

Auf der Hälfte der Etappe, ein paar Kilometer früher sogar, befindet sich der Ort Espejo. Man könnte ihn umgehen, hatte ich gelesen, aber lieber lege ich wenigstens eine Pause ein, wenn es die Möglichkeit gibt. Der Anblick des Ortes von der Ferne ist bereits beeindruckend. Ein Hügel, der von weiß getünchten Häusern umrahmt wird, darüber thront eine rot schimmernde Burg. Es erinnert mich an die sogenannten „Weißen Dörfer“.

Espejo ist auch deutlich interessanter als irgendein dahergelaufenes Dorf. Zuerst will ich die Burg besichtigen. Ein schweißtreibender Aufstieg führt mich vor die Mauern. Leider kann man nicht hinein, das Bauwerk befindet sich in Privatbesitz und reguläre Öffnungszeiten auch nicht zu sehen. Das Besondere an Castillo Ducal ist, dass es älter ist als alle anderen Burgen der Umgebung. Im Gegensatz zu den feindselig, abwehrend wirkenden, massiven Festungen aus der Zeit der 'Katholischen Könige' passt dieses Bauwerk deutlich besser zur Mittelalter-Idylle von Rittern ohne Fehl und Tadel, jungfräulichen Burgfräulein und Königen mit harter Schale und weichem Kern. Die Burg habe ich jetzt von außen besichtigt und könnte direkt weiterlaufen, da hier oben die gelben Pfeile zu sehen sind. Aber ich brauche Wasservorrat für die 13 Kilometer zum Ziel. Dazu muss ich in den Ort hinunter. Mit einem neuen Wasservorrat aus dem Supermarkt schnaufe ich wieder zur Burg hinauf. Auf der anderen Seite geht es wieder hinunter und ich finde mit in einer Plantage wieder. Egal, in welche Richtung ich blicke, ich sehe nur Olivenbäume.

Die letzten Kilometer nach Santa Cruz verlaufen im Zickzack. Wahrscheinlich könnte man sich einige Kilometer sparen, wenn man über die Felder läuft. Der seichte Fluss zwischendrin wäre kein größeres Hindernis. Man könnte statt nach Santa Cruz auch direkt nach Córdoba wandern. Das wären satte 39 Kilometer. Zu anderen Jahreszeiten vielleicht okay, aber nicht bei 40 Grad nachmittags.

Santa Cruz hat etwas von einem Fernfahrer-Dorf an der Schnellstraße. Mehrere Hotels, Hostels und Restaurants - von denen manche derzeit geschlossen ist. In dieser Unterkunft mit Restaurant trifft sich Gott und die Welt. Was es sonst noch gibt: Zitronen- und Orangenbäume, schwer beladen von Früchten. Eine Geschmacksprobe muss sein. Gar nicht schlecht, haben aber sehr viele Kerne.

Bei einem Salat und Bier lasse ich den Abend im Restaurant des Hostels „Casa Jose“ ausklingen.


[10.08.2024] Von Santa Cruz nach Córdoba

Tage zuvor hatte ich noch gedacht, die Hitzewelle wäre schon weitergerollt. Aber wie es bei Wellen so ist, so ist es jetzt mit der Hitze. Sie kommt wieder. 41 Grad sind für heute angesagt. Dummerweise steht mir heute zugleich eine längere Etappe bevor. Mit 24,7 Kilometern bis Córdoba. Wenn ich mich verlaufen sollte, ein paar mehr.

Laut Etappenplan ist die heutige Strecke wüst und leer, so wie die Erde vor ihrer Schöpfung. Keine Möglichkeit, unterwegs Wasser aufzufüllen. Dummerweise habe ich immer noch die zwei Wasserflaschen. Für jede 5 km muss ein halber Liter reichen. Schlauerweise starten wir schon bei Dämmerung. So hält sich der morgendliche Flüssigkeitsbedarf in Grenzen.

In der Ortsmitte bis Santa Cruz hat sich eine größere Menschenmenge versammelt, ausgestattet mit Sonnenschirmen, Kühltaschen und Campingausrüstung. Vermutlich werden die in Kürze von einem Bus abgeholt. Wo die Leute wohl hinwollen?

Eine größere Ölfabrik, dann liegt Santa Cruz schon hinter mir, und 5 Kilometer Landstraße liegen vor mir. Es folgt eine Abzweigung nach links, nun geht es lange nur noch geradeaus, auf und ab durch landwirtschaftliches Gebiet. Unterwegs bin ich damit beschäftigt, meinen Wasservorrat einzuteilen.

Eigentlich könnte man diese Strecke mit dem Bus überbrücken. Für das Auge wird wirklich nicht mehr geboten als gemähte Felder und vertrocknete Sonnenblumen. Zum Schluss führt der Weg in weiten Bögen hin und her, als sollte einem das Ankommen in Córdoba extra erschwert werden.

Und ich habe es am Ende doch geschafft, mit 2,5 Litern die Strecke zu überwinden. Schnell in den nächstbesten Supermarkt, eisgekühltes Cola und Bier besorgen. Bis zum Zentrum von Córdoba fehlt noch ein Stück, dort befindet sich auch das Hostal, das ich mir ausgesucht habe.

Der erste Anblick der Stadt ist schon beeindruckend. Eine lange romanische Brücke führt über den Guadalquivir - ein netter Name für einen Fluss, finde ich - und die Mesquita ist schon dahinter zu sehen. Ursprünglich eine Moschee, später in eine Kirche umgewandelt.

In der Herberge reserviere ich mir zusätzlich eine weitere Nacht. So kann ich Córdoba ausgiebig besichtigen. Der Vermieter wirkt etwas kauzig, ist auch nicht mehr der Jüngste. Weil er mein Spanisch nicht versteht, wechselt er ins Englische. Was die Kommunikation aber noch umständlicher macht. Wenigstens erfahre ich, dass es morgens um 8 Uhr freier Eintritt zur Mesquita gäbe.


[11.08.2024] Ein weiterer Tag in Córdoba

Nach den 41 Grad tagsüber war es auch nachts viel zu warm im Zimmer. Man schwimmt einfach in seiner eigenen Soße. An Schlaf war nicht zu denken.

Halb acht, Zeit zum Aufstehen, aber Zacki-Zacki! Ich will rechtzeitig um 8 Uhr bei der Mesquita sein. Den gratis-Eintritt will ich nicht versäumen. Als ich einige Minuten vor acht dort ankomme, sind die Tore noch verschlossen. Ich laufe um das weiträumige Gebäude herum, da sehe ich einen Wachmann vor einem geöffneten Tor mit einer Frau diskutieren. Als er fertig ist, wende mich an ihn. „Öhm, findet um 8 Uhr eine Messe in der Mesquita statt?“ Ich stelle meine Frage etwas ausweichend, damit sie etwas frommer wirkt als „komme ich hier umsonst rein?“ „Keine Messe. Wir öffnen erst um 10 Uhr. Vorher findet hier nichts statt.“ Er wendet sich an und schließt das Portal.

Okay. Zwei Stunden warten, dann regulärer Eintritt. 13 Euro.

Die Mesquita ist so, wie ich sie von Bildern kenne. Eine sehr weitläufige Halle mit den charakteristischen rot-weißen Bogen. Dann gibt es diese Nischen, die verschiedenen Heiligen gewidmet sind. Die man aus den katholischen Kirchen kennt. Mit dem Unterschied, dass es hier nicht mehr überschaubar ist. Nischen mit geschnitzten und vergoldeten Figuren noch und nöcher. Vielleicht hundert. Ich habe aber nicht gezählt.

Unpraktischerweise kostet die Besichtigung des Kirchturms extra. 3 Euro. Okay, kann ich mir noch leisten. Den Blick von oben will ich mir nicht entgehen lassen. Und die ganze Dimension der Mesquita von oben zu sehen, lohnt sich auf jeden Fall. Hier und da sieht man, das Dach ist kaputt. Deswegen standen innen hier und da Gerüste.

Córdoba hat auch einen Stadtteil namens „Juderia“. Ein jüdisches Viertel, das zugleich eine Bazar-ähnliche Touristenfalle und doch interessant anzugucken ist. Ich folge dem Schild „Synagoge“ und stehe wenig später vor einem schmucken Gebäude.

„Die Synagoge“, frage ich das Personal am Eingang. Es bejaht meine Frage. Okay, in Córdoba gibt es wohl nichts gratis. Für 4,50 Euro Eintritt darf ich das Gebäude besichtigen, in dem einiges über das Leben der jüdischen Bürger von Córdoba erklärt. Zum Schluss der Besichtigung gibt es auch eher Gesangseinlage. Ich verlasse die einzige heute noch erhaltene Synagoge von Cordoba, wie ich erfahren habe. Ein Haus weiter sehe ich den Eingang eines alten Gebäudes, vor dem ein Wachmann steht. Auf die kurze Nachfrage, ob ich dort kurz hineinschauen kann, entgegnet er: ja, der Eintritt zur Synagoge wäre gratis.

Das andere war dann das Museum dazu. Okay. Aber hier drin gibt es jetzt nicht mehr zu sehen als vier Wände. Ein paar Meter weiter werfe ich kurz einen Blick in ein älteres Kirchengebäude. Eher eine Ruine. Um sie von innen besichtigen zu dürfen, muss ich nochmal 2 Euro Eintritt zahlen. Ich bin etwas enttäuscht, dass ich dafür nicht mehr angucken kann als drei Wände mit verwitterten Wandfresken und einen Hochaltar. Genug Kultur für heute!

Abends kommt mir die Idee, dass ich mal die Klimaanlage in meinem Zimmer ausprobieren könnte. Normalerweise halte ich sowas eine reine Stromverschwendung. Wenig später stelle ich fest, dass so ein Gerät die Temperatur im Raum wesentlich erträglicher macht. Und es schläft sich nachts deutlich angenehmer bei 20 Grad plus als bei 30 Grad plus.


[12.08.2024] Von Córdoba nach Cerro Muriano

Morgens kommen wir noch an einigen Kirchen und an einer Stadtmauer vorbei.

Wenn man aus Großstädten herausläuft, durchquert man oft lange Zeit eine unansehnliche Umgebung mit Industriegebieten. Bei Córdoba hält sich das in Grenzen, das ist angenehm.

Wieder in der Natur, finden wir statt den weit ausgedehnten Olivenheinen mal wieder Mischwald. Eine richtige Idylle. Hier wachsen auch einige Korkeichen. Die erkennt man daran, dass sie nackig sind. Also ohne Rinde. Um Korken draus herzustellen. Vielleicht für Olivenöl-Gefäße. Die Gebirgslandschaft nach einem Anstieg ist wirklich schön. Das Gebiet nennt sich „Sierra Morena“, dunkles Gebirge. Das Gestein ist auch dunkel, vielleicht vulkanischen Ursprungs. Und da hier Nadelbäume wachsen, sieht die Gegend von der Ferne vielleicht noch dunkler aus.

Mit knapp 18 km ist es heute eine sehr entspannte Etappe und ich komme früh in Cerro Muriano an. Auf einem Schild erfahre ich, es würde „Sierra Morena“ bedeuten.

Heute hatte ich mir das Hostal EQUIS ausgesucht - es ist preisgünstig und hat beste Empfehlungen. Als ich mein Zimmer betrete, bin ich beeindruckt. An den Wänden Fotos vom Jakobsweg und von der Kathedrale in Santiago, perfekt dekoriert für den Pilger. Klasse! Es gibt auch ein Pilgermenü für 12 Euro, das ich mir gönne. Aus Pilger bekommt man hier wirklich eine Vorzugsbehandlung.

Bei einem Abendspaziergang entdecke ich alte Gleise, die von größeren Nadelbäumen überwachsen sind. Hier muss es auch einen Bahnhof gegeben haben. Richtig spannend. Es muss lange, lange her sein, dass hier mal Züge gefahren sind. Heute fahren hier höchstens Geisterzüge.


[13.08.2024] Von Cerro Muriano nach Villaharta

Als ich morgens Cerro Muriano verlasse, höre ich neben Hahnenschreien seltsame Trompetentöne. Das muss ein Jagdhorn sein! Wird hier gerade eine Fuchsjagd gestartet?

Kurz darauf komme ich an einem Panzer vorbei. Dann wieder das Jagdhorn. Auf dem Weg laufen immer wieder gleich gekleidete Jogger an mir vorbei, immer wieder erschallt das Horn. Mittlerweile ist mir klar, hier befindet sich eine größere Militärbasis.

Ein Stück führt der Weg durch Natur. Alten Gleisen folgend, die von Bäumen überwachsen sind.

Sie mündet in eine Asphaltpiste, auf der kein Auto fährt. Die Straße ist zwar noch vollkommen intakt, doch parallel zu ihr befindet sich eine neue, stark befahrene Schnellstraße. Die zweite Hälfte der mit 20,4 km entspannt kurzen Etappe ändert sich wenig, zumeist bleibt der Weg der Asphaltpiste treu.

Endlich folgt ein Stück durch die Natur. Als ich am Weg lange Grashalme sehe, pflücke ich mir ein paar. So zur Abwechslung eben. Mir fällt auf, dass sie sich gut als Trinkhalme eignen würden. Plötzlich kommt mir eine Idee. Nach dem EU-Plastikstrohhalm-Verbot wurde ja einiges ausprobiert. Strohhalme aus Glas, die man auswaschen und wiederverwenden kann. Umständlich. Oder Strohhalme aus Papier, die sich nach kurzer Zeit auflösen. Jetzt die geniale Idee: man könnte doch solche Halme aus Stroh als Strohhalme verwenden! Vielleicht sollte ich mir diesen Einfall patentieren lassen. Ob dies letztendlich dann umweltfreundlicher sein wird, ist eine andere Frage. Wahrscheinlich wird man die Halme aus hygienischen Gründen dann einzeln in Plastik einschweißen.

Bis Villaharta ist es nicht mehr weit. Ein Schild weist auf einen besonderen Brunnen namens „Fuente del Cordel“ hin. Aus ihm fließt Heilwasser, das für medizinische Zwecke verwendet wird. Meine zu warm gewordenen Trinkvorräte gehen zur Neige, das ist doch eine gute Gelegenheit, sie zu erneuern. Denke ich. Bis ich das Wasser probiere. Bääääh! Sofort speie ich es wieder aus. Was ist das? Salzwasser? Zum Glück habe ich meine Trinkvorräte noch nicht weggeschüttet. Es gibt mehrere solcher Quellen.

Bald komme ich zur Nächsten. „Fuente de malos pasos“. Um den Brunnen wurden aufwendig ein neues Gebäude errichtet. Ich probiere wieder. Sofort zieht sich mir der Mund zusammen, das schmeckt ja entsetzlich! So, als würde man die Flüssigkeit aus einer Autobatterie trinken. Und das soll gesund sein? „Agua Agria“ nennt sich das fürchterliche Zeug, erfahre ich von einer Schautafel.

Im Gegensatz zu dem Wasser ist man in Villaharta gar nicht säuerlich, die Einwohner sind äußerst freundlich und hilfsbereit. Dies fällt mir sogleich beim „Ayuntamiento“ auf. Dem Rathaus, in dem ich mich für den Platz in der Unterkunft der Gemeinde melden sollte. Drei Mitarbeiter und der Dorfpolizist kümmern sich gleichzeitig um mich. In der Pilgerherberge würden gerade Bauarbeiten stattfinden und elektrische Leitungen verlegt, erfahre ich. Sie diskutieren eine Weile miteinander, ob sie mir den Platz in der Baustelle zumuten können. Aber ein Schlafraum wäre nutzbar. Duschen könnte man auch. Und die Küche wurde auch funktionieren. Alles okay, erwidere ich. Eine Mitarbeiterin der Gemeinde führt mich nach den üblichen Formalitäten zur Pilgerunterkunft. Zwei Handwerker sind dort gerade noch am Werkeln, aber stellen ihre Arbeit sogleich ein, als wir eintreffen.

Nach einer kurzen Einweisung haben wir die ganze Herberge für uns allein. Hier und da liegen ein paar Steinbrocken. Esstisch und Stühle im Gemeinschaftsraum sind mit Staub bedeckt. Aber nicht wirklich viel. Ich finde einen Besen, ein Tuch, und wenig später ist es wirklich gemütlich in der Herberge. Villaharta ist auch der Ort auf dem Weg, an dem ich den freundlichsten Bewohnern begegne. Hier grüßt wirklich jeder (natürlich grüße ich auch zurück). Was es am Sehenswürdigkeiten gibt, ist liebevoll hergerichtet. Man scheint sich hier auch besondere Mühe zu geben, dieses Dorf besonders ansehnlich und ordentlich zu halten. Es ist kleine Oase der Pilgeridylle in Andalusien.


[14.08.2024] Von Villaharta nach Alcaracejos

Wie abwechselnd die Etappen doch sind! Heute führt der Camino durch eine Traumlandschaft. Nur ein kurzes Stück Straße, ein schöner Rastplatz, dann führt der Weg durch die Natur. Die Sierra Morena ist auf dieser Etappe ein besonders attraktives Paradies für Wanderer. Hier und dort weisen Schautafeln auf Besonderheiten an Weg hin.

Auch heute habe ich mir die üblichen Wasservorräte mitgenommen, 2,5 Liter. Ich muss meine Vorräte daher ökonomisch einteilen. Diese Etappe ist mit 33,7 km auch etwas länger. Manche könnten jetzt sagen, ich hätte jetzt gar nichts gelernt, wäre aus schlechter Erfahrung nicht klug geworden. Aber am Vortag hatten mir leichte Schmerzen in der Hüfte und im Rücken gesagt, 2,5 Liter wären okay. Außerdem gibt es laut Plan eine Pilgerherberge in der Mitte der Etappe. Auch wenn ich dort nicht übernachten will, hoffe ich auf die Möglichkeit, dort Wasservorräte auffüllen zu können.

Ein Schild weist mich zur Herberge, doch ein mit einer Kette verschlossenes Tor und zwei Schäferhunde dahinter hindern mich, das Grundstück zu betreten.

Also muss ich mit meinen Vorräten haushalten.

Zu meiner Überraschung, wenige Kilometer weiter, sehe ich ein Schild „Fuente“. Tatsächlich finde ich hier auch einen Wasserbrunnen vor einer Finca, einem privaten Grundstück. Jemand meint es hier wirklich gut mit den Pilgern. Und ich muss nicht mehr spartanisch mit meinen Wasservorräten umgehen. 1 Liter wird sofort konsumiert, der zweite füllt meine zweite Flasche.

Wenig später überqueren wir einen reißenden Strom. Dafür wurde ein Weg konstruiert, über den man trockenen Fußes hinübergelangt. So wäre es zu anderen Jahreszeiten, doch derzeit sehen wir hier nur einen kleinen See.

Die letzten 6 Kilometer nach Alcaracejos sind dann nicht mehr spektakulär, ein schnurgerader Schotterweg führt mich zum Rand der Stadt. Als ich zu meiner Linken ein Schild sehe „Piscina municipal“ erinnere ich mich an gestern. Die Rathausangestellte in Villaharta hatte mir von dem Schwimmbad erzählt, das ich besuchen könnte. Leider verpasst. Schade. Und heute liegt es etwas außerhalb, und mach der langen Etappe will ich auch nicht mehr zurücklaufe. Plötzlich hält ein Polizeiauto neben mir. „Heiß heute, nicht?“, spricht mich der Gendarm an. „Geht so“, erwidere ich. Nach einer kurzen Konversation kann ich mich als harmloser Pilger erklären. Wahrscheinlich war ich als einziger, der bei dem sonnigen Wetter nicht in Schwimmbad ist, und der stattdessen von dort wegläuft, irgendwie verdächtig.

Die Herberge heute verfügt über etwas weniger Komfort als gewohnt. An Kochmöglichkeiten gibt es nur die Mikrowelle, und statt Waschmaschine eine Waschecke auf der Terrasse. Dafür einen XXL-Flatscreen im Aufenthaltsraum. Fernsehen schaue ich auf dem Camino jedoch nie.


[15.08.2024] Von Alcaracejos nach Hinojosa del Duque

Ein Milchkaffee, dann geht es auf den Weg. Die Umgebung von Alcaracejos ist recht landwirtschaftlich geprägt. In einem Bauernhof schaufelt ein älterer Mann gerade Mist. Ich winke ihm zum Gruß. Er hält in seiner Arbeit inne, winkt zurück und schaufelt danach weiter Mist.

Ab und zu fliegen hier größere Vögel. Sie sind zu weit entfernt, oder sie fliegen zu schnell vor mir weg, dass ich sie auf Foto bannen kann.

Bis auf einen. Der fliegt nicht mehr. Wahrscheinlich ein Storch.

Der Weg bietet wenig Abwechslung, bis ich Hinojosa erreiche. Bei der städtischen Polizeiwache bekomme ich den Schlüssel zur Herberge. Danach schaue ich mich nach Einkaufsmöglichkeiten um. Doch seltsam. In Hinojosa gibt es mehr als vier Supermärkte, die jedoch alle geschlossen sind. Kein Drama, die Küche der Herberge bietet sowieso wenig Kochmöglichkeiten. Ein Restaurant in einem Park, an dem ich zuvor vorbeigekommen bin, war nachmittags gut besucht und schien bei den Spaniern besonders beliebt zu sein. Abends begebe ich mich dorthin. Es ist fast bis zum letzten Platz besetzt. Doch einen freien Tisch finde ich noch. Dort werde belohnt mit einer riesigen Salatplatte und einer Plato Combinado. Richtig lecker und relativ preisgünstig.

Als ich in die Herberge zurückkehre und das Fenster öffne, blickt aufgeregt ein Hund herein und jammert. Er bellt, läuft im Hof vor dem Fenster umher, kommt zurück und pienzt. Er wirkt etwas vernachlässigt. So geht es die ganze Nacht. Zum Glück befindet sich direkt nebenan die Polizeiwache, bei der ich morgen den Schlüssel zurückgeben muss. Wenn der Hund auch morgens noch jammert und sich niemand um ihn kümmert, werde ich das melden.


[16.08.2024] Von Hinojosa del Duque nach Monterrubio de la Serena

Morgens werfe ich einen Blick aus dem Fenster zum Innenhof. Der Hund springt sofort auf und pienzt. Uns trennt ein Gitter, aber ich kann ihm ein wenig den Hals kraulen. Leider hat sich auch an diesem Morgen niemand um ihn gekümmert.

Es dauert etwas, bis ich meine Sachen gepackt habe und es wird 8 Uhr. Da erscheint der Polizist in der Herberge und gibt mir mit einer Geste zu verstehen, dass es Zeit ist aufzubrechen. Es gäbe da ein Problem, das mir Sorge bereitet, wende ich mich an ihn und führe ihn zum Fenster. Niemand scheint sich um den Hund zu kümmern. Die Besitzer wären oft für 1-2 Tage weg. In der Zeit würden sie ihn im Hof lassen, erfahre ich. Er würde ihnen ein Schreiben zukommen lassen, versichert er mir. So kann ich etwas beruhigt starten. Zumindest weiß jetzt jemand Bescheid.

Heute habe ich mit 33,5 Kilometer eine längere Etappe vor mir, da ist es wichtig, früh aufzubrechen, um die nachmittägliche Hitze zu vermeiden. Auf dem ganzen Weg gibt es nicht eine einzige Siedlung, daher ist es unsicher, ob ich unterwegs meine Wasservorräte auffüllen kann. Mit den 2,5 Litern muss ich gut haushalten. Es ist ein idyllischer Weg durch die Natur, vorbei an abgemähten Feldern. Hier und da einzelne Gehöfte mit Schafherden.

Als wir nach langer Zeit die Ruine eines Bahnhofgebäudes erreichen, haben wir endlich die Hälfte der Etappe geschafft. Hier laufen Gleise vorbei, die noch in gutem Zustand sind. Vielleicht fahren hier noch Züge, auch wenn an dem Bahnhof keiner mehr hält. Die Hoffnung, dass ich hier meine Wasservorräte auffüllen könnte, erfüllt sich leider nicht. Bis zum Ende der Etappe müssen meine Vorräte reichen.

Auf diesem Weg sollte man sich möglichst nicht verlaufen. Eine Internetverbindung gibt es schon lange nicht mehr.

Etwas weiter kommen wir an ein Schild, das uns davor warnt, dass der Weg überschwemmt sein könnte, da hier ein Fluss entlang läuft. Er ist zu dieser Jahreszeit etwas trocken, aber wir finden noch einen kleinen See. Oder, passender gesagt, ein Teich. Ich fülle meine leere Flasche und nehme eine Kostprobe. Zum Trinken weniger geeignet. Und das Wasser ist trüb. Es ist auch nur für den Notfall. Besser als gar kein Wasser. Und ich kann mein T-Shirt mit Wasser tränken, mit dem ich mich auf der zweiten Hälfte des Weges abkühlen kann

Es sind noch 10 Kilometer bis zum Ziel, da funktioniert wieder Internet. Zeit, mich bei der Pilgerherberge zu melden. Ich beginne in meinem holprigen Spanisch mit der üblichen Erklärung, dass ich Pilger bin und bald ankommen würde, da unterbricht mich die Dame am anderen Ende der Leitung. „Du sprichst Deutsch, oder?“ Ich bin überrascht. Einerseits erleichtert es die Konversation, andererseits - naja, etwas peinlich. Meine Sprachkenntnisse sind schon etwas dürftig. Aber jetzt weiß ich, dass ich einen Platz in der Herberge bekomme.

Monterrubio sehe ich endlich in der Ferne. Es liegt auf einem Hügel, und scheint nicht näherkommen zu wollen. Das ist das Unschöne an Orten, die man schon von weitem sieht, dass man mich unendlich lange braucht, um sie zu erreichen. Endlich, das Ortsschild! Ich nehme den letzten Schluck Wasser, in der Hoffnung, bald meinen Durst stillen zu können. Doch es dauert noch eine Weile, erst Ställe, dann Händler für landwirtschaftliche Güter. Endlich! Neben einer Tankstelle eine Bar. Ich trete ein, wende mich mit einem Gruß an den Wirt, der mich unfreundlich anblickt. „¡Cerrado!“, sagt er knapp. In der Bar sitzen einige Leute vor ihren Drinks Als ich mit am Gaumen klebender Zunge frage, ob man nicht zumindest kalte Getränke bekommen würde, antwortet er nochmals “Cerrado„ Scheinbar sind neue Gäste hier nicht willkommen.

Wenige Meter weiter finde ich zum Glück eine geöffnete Bar, dort werde ich freundlich bedient. So ein eisgekühltes Bier schmeckt göttlich, wenn man so richtig durstig ist. Es steigt zwar schnell zu Kopf, aber es gibt kaum etwas Besseres nach so einer Etappe.

Später in der Herberge, in der ich um kurz nach 17 Uhr eintreffe, erfahre ich von der Verwalterin, dass noch jemand dort übernachten würde. Eine Pilgerin. Die erste, die ich auf dem Weg treffe. Eine deutsche Seniorin. Sie hat so ziemlich alle Pilgerwege unternommen, erfahre ich, bald würde sie ihren 80.sten Geburtstag feiern. In Santiago, das wäre ihr großer Traum. Ihre ganze Verwandtschaft würde sie dorthin einladen, das gäbe eine richtig große Feier. Eine tolle Idee! Meinen achtzigsten würde ich auch gerne dort feiern, falls ich so alt werde. Bis dahin sind es aber noch ein paar Jahre.


→ weiter auf dem Camino Mozarabe - Provinz Badayoz

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