Auf dem historischen Jakobsweg, Camino Primitivo
Von Grandas de Salime über die Höhen der Porto de Acebo durch Galicien
1: Asturien erster Teil
2: Asturien zweiter Teil
3: Galicien
4: Santiago
Die Tagesetappe ist ziemlich genau wie ich mir den Camino Primitivo vorgestellt habe, zum großen Teil durch Wälder, schmale Wanderpfade an Feldern vorbei und Farmen mit Hühnern, Truthähnen und Hasen. Und mit einem idyllischen Bergpanorama auf dem ganzen Weg.
Das besondere hier sind zudem zahlreiche kleine rustikale Kapellen sowie Wasserquellen, die verschiedenen Heiligen gewidmet sind und mit kleinen Statuen verziert sind. An Pinnwänden findet man viele Zettel mit Gedichten, Sprichwörtern oder Wünschen. Man kann man sich hier lebhaft die Pilger vorstellen, die schon vor etwa tausend Jahren unterwegs waren und die Plätze als Wallfahrtsziele besucht haben.
Das feuchtkalte Klima scheint hier ideal für Pilze zu sein - am zahlreichsten sind auf dem Weg Fliegenpilze zu finden, aber auch unter anderem viele Maronenröhrlinge oder Steinpilze.
An dem Tag war der eine französische Pilger schon vorausgelaufen. Den zweiten, der wegen Knieproblemen die Etappe ursprünglich auch mit dem Bus fahren wollte, treffe ich in einer kleinen Ortschaft wieder - zusammen wandern wir dann den Rest der Etappe.
Der Camino führt wieder aufwärts über die Schneegrenze, dort überqueren wir dann die Grenze zur Provinz Galizien.
Nach überqueren des Gipfels bei Sonne kommt ziemlich plötzlich ein Eiswind auf, innerhalb weniger Sekunden fällt die Temperatur um gefühlt 15 Grad niedriger, frierend geht es weiter.
In Padrón fragen wir einen Ordnungshüter nach dem Weg zur Herberge. Weiter und nach dem Ortsende meint er - der Hospitalero sei ein guter Freund von ihm, deswegen kenne er den Weg. Später in der Herberge an der Rezeption sehen wir ihn wieder - er ist auch der verantwortliche Hospitalero dort.
Als wir den zweiten Franzosen treffen, fragt er ob wir den Schneepilger gesehen hatten, den er unterwegs gebaut hat. Den Schneepilger hatten wir leider verpasst, da wir wegen tiefem Schnee auf dem Camino stattdessen einen Teil an der Straße gewandert sind.
Nachts ist es eiskalt geworden. Alle Pfützen sind morgens gefroren und das Gras von Frost überzogen. Die Kälte ist ideal zum Wandern - über gefrorenen Boden läuft es sich wesentlich besser als bei etwas über 0 Grad auf dem vorher durchweichten Weg.
Der Camino verläuft wieder durch nette gebirgige Landschaften, teils wieder ziemlich steile Auf- und Abstiege.
Die Franzosen hatten an dem Tag den Bus genommen, der eine wegen den Knieproblemen, der andere hatte angeschwollene Füße. Treffe in der Herberge beide schlafend an, hatten nachmittags eine große Menge an Bier besorgt und waren irgendwann schläfrig geworden. Und es ist noch einiger Vorrat an Bierdosen übrig, an dem ich mich auch bedienen kann.
Die beiden anderen legen diese Etappe wieder mit dem Bus zurück, da sie sichergehen wollen, die letzten 100 Kilometer auf jeden Fall laufen zu können. Und bis dahin ihre Füße vorher etwas schonen wollen.
Irgendwo bei Castroverde muss ich einen Wegweiser übersehen haben, befinde mich nicht mehr auf dem Camino - nach Orientierung mit dem Smartphone-Navi entschließe ich mich weiter durch die Ortschaften zu laufen, bis ich später wieder auf den Camino treffe. Scheint auch ein ideales Pilzgebiet zu sein, auf dem Weg durch die Wälder sieht man unzählige.
Nach den vielen kleinen Ortschaften wirkt Lugo im Vergleich wie eine Weltstadt. Zu besichtigen gibt es hier einiges an Sehenswürdigkeiten aus alter Zeit, auch römische Themen. Auf der Stadtmauer kann man um die Stadt laufen. Wegen Dauerregen sehe ich mir nur einen kleinen Teil davon an und nutze primär die Gelegenheit für das günstige spanische Essen - im Restaurant, das am nächsten zur Herberge liegt.
Die französischen Pilger wollen noch eine Tour durch die Bars unternehmen, ich bin dafür zu müde und melde mich deswegen auch freiwillig als Türöffner - die Herberge schließt um 22:00, und wem man später kommt, muss jemand von innen öffnen. D.h. dann kurz vor 24 Uhr. Einer Gruppe von 3 jüngeren Spaniern, die ca. 23 Uhr hineinwollten aber ausgeschlossen waren bei miserablem Wetter, konnte ich ebenso die Tür öffnen.
Die Franzosen erzählen später, so gutes Kraut wie sie hier organisiert haben, hatten sie schon lange nicht mehr. Und wäre auch um einiges billiger als in der Umgebung von Chamonix, wo sie herkommen.
Morgens Punkt 7 Uhr schaltet sich das Licht automatisch an - scheint hier auch ziemlich strikt zu sein, dass man bis 8:00 die Herberge verlassen haben muss.
Wir laufen wieder zu dritt - die Berge haben wir hinter uns gelassen. Für mich und vor allem für die anderen beiden eine deutliche Erleichterung, die nach den ständigen Auf- und Anstiegen Probleme hatten. In einem Baum sehe ich einen Mini-Pilger schweben. Was sich bei genauerer Betrachtung dann als optische Täuschung herausstellt - es ist nur ein Blatt im Feigenbaum, das an einer der Früchte hängengeblieben ist.
Vorbei an nett gestalteten Gärten kommen wir zum Schluss erst zu einer Bar mit Laden, von dort einen Kilometer weiter zur Unterkunft - eine kleine Hütte mit 6 Stockbetten. Herbergen gibt es sogar zwei, eine öffentliche und eine private. Das ist auch alles an Gebäuden abgesehen von ein paar Bauernhäusern, aus denen der Ort besteht. Zum Kochen für ein Abendessen finde ich dort in der Küche ein paar Vorräte - unter anderem eine Tütensuppe, Weizenmehl, Öl und Salz. Damit das Essen für alle reicht, versuche ich mit dem Mehl die Suppe zu strecken - das Ergebnis ist überraschend gut, statt 2 Teller werden daraus 6 Teller und verdünnt wirkt die Suppe auch nicht.
Die nächste Etappe ist zunächst eine ziemlich flache aber wenig abwechslungsreiche Wanderung. In einem Dorf wird zeitweise der Weg durch eine große Herde Wanderkühe blockiert. In Spanien gibt es eine Verkehrsregelung: Schafe und Kühe haben grundsätzlich Vorfahrt. Was vermutlich deswegen so geregelt wurde, weil die meisten von ihnen keine Verkehrsschilder lesen können.
Dann folgt eine schönere Strecke über einen felsigen und mit Heidekraut bewachsenen Hügel, dann an einem Bach entlang durch eine Felsenlandschaft.
Zum Schluss kommt man nach Melide, der Stadt der Pulperias. Mit einer großen Anzahl an Fischrestaurants die vor allem Oktopus als Spezialität anbieten.
In Melide führen der Camino Primitivo und der von den meisten Pilgern begangene Camino Francés zusammen. Wir treffen hier auch das erste Mal wieder neue Pilger, auch wenn wesentlich weniger jetzt im Winter auf dem Weg unterwegs sind.
Meine Mitpilger haben Zutaten zum Kochen eingekauft - Küche ist vorhanden, aber weder Töpfe, Pfannen noch irgendwelches Geschirr oder Besteck. Packen die Zutaten dann frustriert wieder ein, um sie vielleicht am nächsten Tag zu verwenden.
Eine kanadische Pilgerin fragt uns ob wir französisch sprechen - die beiden Franzosen bejahen das und sie schließt sich uns an. Ich kann mich mit meinen etwas eingerosteten Sprachkenntnissen im kleinen Rahmen an der Unterhaltung beteiligen.
Abends ziehen wir noch durch die Stadt und probieren verschiedene Bars aus. Da die Herberge um 22 Uhr schließt, entriegeln wir ein paar Fenster, durch die wir dann später, kurz nach Mitternacht, wieder hineinkommen.
Den nächsten Teil des Weges kenne ich schon von der Wanderung im Sommer, sehe daher wenig neues. Auf diesem von wesentlich mehr Pilgern beschrittenen Weg fällt auf, dass hier wesentlich mehr Cafés, Bars und Restaurants zu finden sind, viele haben derzeit offensichtlich geschlossen. Die Franzosen laufen wieder voraus, ich gehe mit normalen Tempo weiter, auch um Zeit zu haben, Fotos aufzunehmen.
Nachmittags an einer Bar mache ich eine Rast und genehmige mir ein Bier - schwelge etwas in Nostalgie, da ich hier im Sommer im Biergarten die fünf spanischen Pilgerinnen das erste Mal gesehen habe.
Auf den letzten 2 Kilometern begegne ich noch 3 spanischen Pilgern. Die gehen die kurze 100 km-Variante in einem sehr gemütlichen Tempo und haben einen Schlauch dabei, gefüllt mit Wein, von den sie mir auch anbieten. Wir kommen zusammen bei der Herberge an und melden uns dort gleichzeitig unter Vorlage des Pilgerpasses an. Pedrouzo ist auch wieder ein größerer Ort, in dem ich die Franzosen gleich wiedertreffe und mich mit ihnen dann in eine Bar setze. Die beiden konnten vorher in der Küche der Herberge auch die Zutaten für das Abendessen verwenden.