Die 4. Tour
Auf dem Camino Inglés
In Ferrol angekommen, fehlt mir etwas die Planung für den Camino Inglés - es gibt Wegweiser zu einer Herberge, doch irgendwann komme ich am Ende der Stadt an und finde keine weiteren Hinweise mehr. Von den Spaniern, die ich frage, kann auch keiner weiterhelfen. Zurück quer durch die Stadt, dann finde ich eine Touristeninformation. Hier bekomme ich den benötigten Pilgerausweis und den Hinweis, dass es in Ferrol gar keine Herberge gibt. Erst in dem Ort Neda, elf Kilometer entfernt.
Die erste Etappe startet deswegen schon am gleichen Tag. Der Weg, wenn man Ferrol verlässt, ist einer der gefährlichsten des Camino und führt über die Promenade am gut besuchten Strand entlang. Viele sonnen sich dort ohne Bikini. Auf der Promenade stehen Straßenlaternen in kurzen Abständen, denen man ausweichen muss.
Manchmal gewinnt man hier den Eindruck, in Deutschland zu sein.
Den englische Weg im Anschluss an den portugiesischen zu gehen war eine gute Idee - schon am Anfang ist dieser wesentlich attraktiver und abwechslungsreicher. Hier verläuft anfangs auch ein weiterer Weg Camino de Teixido, der nach einiger Zeit links abbiegt.
Direkt vor der Herberge wird eine große Musikbühne aufgebaut. Leider erst für den nächsten Tag.
Der Name des Veranstalters entstammt einer galizischen Legende. Nachts sind auf dem Camino Geister unterwegs, verlorene Seelen, die als Santa Compaña nach Santiago pilgern. Vor Tagesanbruch begeben sie sich auf einem Friedhof zur Ruhe.
Sollte man den Geistern begegnen, ist man unrettbar verloren. Man schließt sich der Santa Compaña an und pilgert bis in alle Ewigkeit. Jede Nacht, immer die gleiche Strecke.
In der Herberge treffe ich zwei Pilgerinnen - eine Deutsche, die verheiratet ist und eine Spanierin mit XXXL-Format. Was für ein Pech.
An einem langen Sandstrand entlang, dann über eine Brücke nach Pontedeume. Eine mittelalterliche, belebte Stadt mit vielen Bars und Restaurants, die sehr sehenswert ist. Danach geht es aufwärts durch Wald und Wiesen, oben angekommen dann Panorama-Aussicht.
Der Strand von Miño ist immens lang, sehr feiner Sand und abgegrenzt von der Stadt durch eine Dünenlandschaft. Sehr gut besucht - wahrscheinlich kommen viele von weit her zu diesem Strand.
Die Herberge bietet Platz für 22 Pilger. Habe die Unterkunft für mich allein.
Spät abends tauchen dann doch noch andere auf - vier jüngere Pilgerinnen aus Polen. Für mich allein.
Der Camino führt über eine Brücke und durch ein altes Stadttor in die mittelalterliche Altstadt von Betanzos. Die interessanteste auf dem Camino Inglés.
Ich begegne einer Gruppe von ca. 20 deutschen Touristen, die mit einem Stadtführer unterwegs ist.
Der Camino Inglés ist bis Betanzos der landschaftlich attraktivste Weg auf der iberischen Halbinsel, den ich bisher gewandert bin. Vor allem, da er so gut wie nie an der Landstraße entlang führt.
Danach wird es weniger abwechslungsreich und vor allem anstrengend.
An zwei italienischen Radpilgern komme ich vorbei, die etwas Orientierungsschwierigkeiten haben - die Wegweiser sind irreführend. Bis zu dieser ungeschickt zusammengeflickten Jakobsmuschel geht es steil bergauf,mit den Italienern kann ich etwas über eine Stunde mithalten - in diesem Gelände hat man mit dem Fahrrad keinen Vorteil.
Komme in Bruma an, freue mich schon auf die Fiesta am Abend, es ist ja Samstag. Die Herberge befindet sich gleich am Anfang des Ortes.
Später stellt sich heraus, es ist nicht der Anfang, sondern das Ortszentrum. Keine Bars, keine Restaurants, nur die Herberge und ein paar Bauernhöfe.
Treffe die zwei Radfahrer wieder, neue italienische, spanische und portugiesische Pilger, ebenso die deutsche. Bei Einbruch der Nacht taucht ein Taxi auf und die vier Polinnen kommen an.
Auf der gesamten Etappe gibt es kein einziges Dorf. Das Frühstück muss warten, bis ich nach 24 km in Sigüeiro angekommen bin. Erfahre von zwei spanischen Pilgerinnen, dass dort keine Herberge existiert. Nach der Auskunft eines Priesters, den sie fragen, auch kein Matratzenlager. Nur eine Pension, von der die Spanier alle abraten, die wäre zu teuer und eher ungemütlich. Alternativ ein Hotel 3 Kilometer außerhalb.
In Sigüeiro gibt es jedoch einen sehr schön angelegten Park, mit dem ich mich anfreunde - sehr groß, mit Bächen, einem See und genügend Platz zum Übernachten. Nur sehr kühl wird es - der Jugendherbergs-Schlafsack hält einen nicht wirklich warm, ohne Zelt. Bin froh, wenigstens den neonfarbenen Pullover zu haben, den mir die deutsche Pilgerin geschenkt hat. Und noch eine Strohmatte vom Camping in Finisterre mitgenommen habe. Ansonsten ist der Park ein perfekter Schlafplatz, es gibt keine Mücken, auch keine Nachtschwärmer. Von morgendlichen Joggern bleibe ich ebenso verschont.
Kaffee zum Aufwärmen, dann der letzte Abschnitt des Camino durch den Nebel - den gab es jedesmal auf der letzten Etappe nach Santiago. Irgendwie mystisch. Vielleicht identisch mit dem legendären Avalon?
Zum Schluss führt der Weg entlang der Landstraße. Unangenehm, aber schön angelegt, mit Palmen als Mittelstreifen-Begrenzung.
Die Botafumeiro wird allgemein nur an besonderen Feiertagen oder zu speziellen Anlässen eingesetzt - heute, Dienstag, habe ich trotzdem Glück. Viele Touristen sind unterwegs. Ich vermute, dass dies der besondere Anlass ist. Der Weihrauchschwenker pendelt diesmal ziemlich hoch und berührt fast schon das Dach der Kathedrale.